Reiseinformationen Marokko - Mauretanien - Tunesien

Marrakech

Märchen aus 1001 Nacht

Am Horizont stechen die gewaltigen Gipfel des Atlas-Gebirges aus dem Dunst hervor. Die Stadt ist wie ein Märchen aus 1001 Nacht, wohl nur wenige andere orientalische Metropolen können es an Schönheit mit ihr aufnehmen. In Marrakech verstecken sich reich dekorierte Paläste und Moscheen im Labyrinth der engen Gassen mit ihren rosafarbenen Häusern. In den bunten Basarstraßen bieten Händler Handwerkserzeugnisse, Duftstoffe, Naturmedizin und Lebensmittel an, und auf dem zentralen Platz herrscht ein Treiben wie auf einem mittelalterlichen Jahrmarkt. Sie ist mit 823.200 Einwohnern viertgrößte Stadt und wichtigstes Touristenziel des Landes. Nach Agadir fährt man zum Ausspannen und Baden, aber nach Marrakech, um den Traum vom Orient wahr zu machen. Und während es in Agadir nur knapp 100 touristische Unterkunftsmöglichkeiten gibt, hat Marrakech über 120 Hotels und etwa 400 Gästehäuser.
Eine 19 Kilometer lange Stadtmauer umgibt die Altstadt, die Medina. Den Schutz durch das bis zu zwei Meter dicke und neun Meter hohe Bauwerk hatte der alte Stützpunkt für Handelskarawanen über viele Jahrhunderte auch nötig. Die Gassen sind eng, Autos passen nicht hindurch, nur Fußgänger, Eselskarren und Mofas. Anders als in Europa zeigt die Architektur nicht zur Straße ihr schönes Gesicht. Die meist schmuck- und fensterlosen Mauern wirken abweisend. Pompös verzierte Tore lassen jedoch immer wieder erahnen, welch architektonische Juwele sich hinter den schroffen Fassaden verbergen.

Djemaa el-Fna

Ein Stadtrundgang beginnt meist an dem Platz Djemaa el-Fna, der seinen Namen angeblich dadurch erhielt, dass dort früher die Köpfe der Gehenkten öffentlich aufgespießt wurden. Dort liegen mehrere einfache Hotels, von denen aus man wundervoll das Leben und Treiben dieser faszinierenden Welt im Kleinen beobachten kann. Auch auf den Cafés gibt es Dachterrassen, von denen ein Blick (und vor allem Fotos) auf das bunte Spektakel bei Bestellung eines Getränks möglich sind.
Ein Bummel über diesen Jahrmarkt kann sehr anstrengend, bei richtigem Verhalten aber auch sehr angenehm sein. Der geschulte Blick des Marrakschi erkennt sofort den unsicheren Fremden und drängt sich - manchmal recht aggressiv - als Führer auf oder verlangt ein Trinkgeld für Fotos, die man gar nicht schießen wollte.

Besonders geschäftstüchtig sind die Wasserverkäufer in ihren malerischen roten Gewändern mit dem breitkrempigen Hut und der münzenbesetzten großen Geldtasche aus Leder, die heute ihr Geld nur noch als Fotomodell verdienen. Wer seine Ruhe haben will, lässt Kamera und Handtasche im Hotel und geht nur mit ein wenig Kleingeld in der Tasche sicheren Schrittes und gesenkten Blickes über den Platz. Es ist manchmal erstaunlich, wer einem alles etwas zu sagen hat. Wenn man die Anreden einfach ignoriert, geben sie bald auf.
Das Bild ändert sich mit der Tageszeit, ist aber jeden Tag gleich. Am frühen Morgen beginnen als erstes die Betreiber der nummerierten Orangensaftstände am Rand ihre Planen abzudecken. Diese Stände sind die einzigen, die den Platz nie verlassen, köstlich der frischgepresste Saft für wenige Dirham.
Geruhsam fängt der Tag an. Ein Barbier breitet künstliche Gebisse auf einem Tischchen aus, daneben zur Demonstration einen Haufen bereits gezogener Zähne und eine stattliche Sammlung abschreckender Zangen. Ein alter Mann - ein Fkih - setzt sich auf einen winzigen Hocker und klappt einen vielfach geflickten Regenschirm auf. Aber so früh am Morgen findet er noch keinen Neugierigen, der sich die Zukunft aus der Hand lesen lässt oder Beratung bei Problemen sucht.

Ein Mann in blauer Gandora und Turban breitet einen Teppich aus und verteilt darauf die geheimnisvollsten Dinge: Schlangenhäute, Straußeneier, getrocknete Kräuter, Gläser mit undefinierbaren Wundermitteln. Schnell hat er eine aus Männern bestehende Zuhörerschaft, die seinen Beschwörungen und Versprechungen aufmerksam folgt. Tief verschleierte Araberfrauen verkaufen selbstgefertigte Taschen, Körbe, Untersetzer und Mützen. Am meisten zu tun haben die Schuhputzer um diese frühe Stunde. Musiker klimpern drei Sekunden lang, wackeln dazu mit der Bommel ihrer roten Kappe und schon wird die Mütze fürs Trinkgeld hingehalten. Ein Berber mit Äffchen reicht einer Touristin das Tier, ihr Mann macht ein Foto und schon sind wieder einige Dirham verdient.
Überragt wird der Djemaa el-Fna im Westen von dem Turm der Koutoubia - Moschee, dem einzigen vollendeten Minarett aus der Zeit der Almohaden. Es ähnelt dem unvollendeten Hassanturm in Rabat und der Giralda in Sevilla. Eine Besichtigung ist für Nichtmoslems leider nicht möglich. Der Name stammt von den über hundert Buchhändlern, die früher um die Moschee ihren Souk hatten.
Aber die Gaukler, Märchenerzähler, Musiker, Schlangenbeschwörer, Zauberer und Wahrsager sind keine eigens für Touristen geschaffene Attraktion. Von alters her dienten sie den Nomaden, die von weit her zu den Märkten gekommen waren, und Karawanen, die nach vielen Wochen in der glutheißen Sahara endlich am Ziel angekommen waren, als einzige Unterhaltung in einem arbeitsreichen Leben. Auch heute noch sind trotz vieler Touristen mehr Einheimische unter den Besuchern. Das merkt man besonders am Abend. Da werden aus allen Richtungen Tische, Bänke, Feuerstellen, Kochtöpfe, Berge von Brot und Süßigkeiten herangekarrt. Köstlichkeiten wie gebratener Fisch, gegrillte Merguez-Würstchen, goldfarbener Couscous, gekochte Schnecken oder die Fastensuppe Harira verführen mit ihrem Duft, aber es liegt auch eine dicke Qualmwolke über dem Platz. Einmal zumindest sollte jeder Besucher die Gerichte auf dem abendlichen Djemaa el-Fna kosten. Immer günstig und meist gut.