Reiseinformationen Marokko - Mauretanien - Tunesien

Iche

Die vergessene Oase

Die Bergoase Iche liegt nordöstlich von Figuig auf 1.200 Metern direkt an der Grenze zu Algerien und ist damit die am weitesten östlich liegende Siedlung von Marokko. Eigentlich gibt es Iche überhaupt nicht. Fragt man in Marokko nach Iche heißt es: Rich, Icht? Niemand hat je davon gehört. Und auch die einschlägigen Reiseführer erwähnen Iche nicht. Ganz zu schweigen von sonstiger Literatur, auch in marokkanischen Bibliotheken gibt es nichts. Die einzige Ausnahme bildet der französische Pistenpapst J. Gandini, und er hat in seiner Ausgabe "Pistes du Maroc, Tome IV, L'Oriental, gleich 7 Seiten diesem faszinierenden Örtchen gewidmet.
Der kleine Ort besteht aus einer von Quellen bewässerten Palmenoase im engen Tal des Oued Iche, die Lehmhäuser des alten Ksar erheben sich auf dem Berghang darüber. Der Name "Iche" bedeutet im Berberischen einzig oder allein. Das rührt von der Insellage der Oase her, im Radius von 60 km gibt es keine weitere Siedlung. Auch nicht auf der algerischen Seite. Die Begrenzung nach Algerien bildet der Djebel Mzi (2.202 m), die Abgrenzung nach Figuig der Djebel Er-Rkaiz (2.160 m).



Geschichte
Iche war schon seit frühester Zeit besiedelt, wie Felsgravuren aus dem 4. Jahrtausend v. Chr. sowie prähistorische Tumuli (Hügelgräber) belegen. Die heutigen Bewohner führen ihre Abstammung auf einen idrissidischen Cherifen zurück, Angehöriger der ersten islamischen Dynastie Marokkos, die aus Bagdad gekommen in Fes residierte und nach dem Machtverlust der Idrissiden vertrieben wurde. Er ging mit seinen Brüdern zunächst nach Figuig, dann löste sich eine Familie davon und gründete Iche. Die Bewohner bezeichnen sich damit als Nachfahren des Propheten. Noch heute werden sechs Heilige verehrt, in deren Koubbas jedoch nicht immer die Grabstätten sind: Sidi Bou Azza (begraben in Figuig zwischen den Ksour El Maiz und Hammam Foukani), Sidi Mohammed Ben Abdelkader, Sidi Abdelkader Ben Jilali (begraben in Bagdad), Sidi Abdellah El Ghaib (kam von Bagdad), Sidi Mohammed Sfya, Sidi Ahmed ou Ali.
Bevor die Grenze mit Algerien die Region abschnitt lag Iche an einer sehr wichtigen Kreuzung der Karawanenwege, hier machte man einige Tage Halt, um sich in der kühlen, frischen Vegetation auszuruhen, füllte Nahrungsmittel und Wasser auf, sammelte neue Kräfte, um die durch Räuberbanden unsicheren Passagen im Norden und Süden besser zu überstehen. Im 19. Jh. erfreute sich Iche eines bescheidenen Wohlstandes, wurde jedoch immer wieder von Räuberbanden angegriffen. Erst das Ende des 19. Jahrhunderts brachte mit Beginn des französischen Protektorats und der Installierung einer Truppe im nahen Ain Sefra (Algerien) Sicherheit und Frieden.

Dorfleben
Die Wohnhäuser des Dorfes gruppieren sich auf dem Hang über dem linken Ufer des Oued Iche um die Moschee und das Haus des Kaids, sie sind zum größten Teil aus Lehm gebaut, einige auch aus Bruchsteinen. Als Holz finden hier nicht wie in den übrigen Oasen Palmstämme Verwendung, sondern der phönizische Wachholder (Juniperus phoenicea). Die Gassen sind zum größten Teil überdeckt, zum Schutz gegen die Sonne, aber auch gegen feindliche Eindringlinge. Die spärliche Lebensgrundlage bieten die Erzeugnisse der Gärten, doch reicht dies heute nicht mehr aus, da der Karawanenverkehr, der früher eine zusätzliche Einnahme brachte, nicht mehr existiert; viele Männer sind nach Norden emigriert.
Interessant ist es, einen Einblick in die Bewohnerschaft zu erhalten. Dazu ist es ideal, wenn man die Gastfreundschaft der Einwohner annimmt. Iche hat bis heute noch keine Unterkunftsmöglichkeiten, wer also nicht mit dem eigenen "Schlafzimmer" unterwegs ist, kann bei einer der Familien wohnen. Das heißt nicht etwa, privates Zimmer und Dusche, sondern wirklich ein Wohnen mit der Familie.

Ein Beispiel dafür ist Mohammed Allal. Der gebildete Mann wohnt mit seiner Frau, den beiden Töchtern und der Schwiegermutter zusammen und nimmt gerne einen Gast auf, vor allem, wenn es eine Frau ist. Mohammed hat es als Aufgabe, die Frauen des Ortes in ihren Rechten zu unterrichten, dafür wird er vom Staat bezahlt. Überhaupt sind die Frauen recht selbständig, sie sind alle zur Schule gegangen, Analphabetismus gibt es so gut wie nicht im Dorf. Die Arbeiten sind gerecht verteilt, die Frau ist für die Kindererziehung und die Küche zuständig, die Häuser sind modern und sauber und verfügen über fließend Wasser und Telefon. Gekocht wird mit Gas, Kunsthandwerk wird von den Frauen so gut wie nicht ausgeführt. Der Mann besorgt den Oasengarten oder verdient anderweitig Geld. Mehr als eine Ehefrau hat man hier nicht und auch der Kindersegen wird beschränkt, mehr als vier Kinder sind nicht üblich.
Seit Jahrhunderten bleiben die Bewohner unter sich, Heiraten nach außerhalb kamen so gut wie nie vor und auch keine Vermischung mit schwarzen Sklaven, wie in den Oasen von Dra und Ziz. Deshalb sind die Menschen auch sehr hellhäutig. Viele sind allerdings aufgrund der kargen wirtschaftlichen Lage nach Norden abgewandert.
Die Bewohner ernähren sich fast ausschließlich von ihren Viehherden und dem Obst und Gemüse aus den Gärten, Kartoffeln werden sogar zweimal im Jahr geerntet. Iche ist der einzige Ort im Umkreis von 300 km, an dem diese Erdäpfel gedeihen. Werden andere Lebensmittel wie Tee, Zucker oder Mehl benötigt, geht man zum Souk in Bouarfa, verkauft eine Ziege oder ein Schaf und deckt sich mit dem Nötigen ein.
In diesem kleinen Paradies gibt es absolut keine Bettelei, bitte helfen Sie mit, dass dies auch so bleibt. Noch fehlt es den Bewohnern am nötigen Kapital, um touristische Einrichtungen zu schaffen, aber klar ist, dass man niemand von außen haben will, sondern denkt daran, eine Herberge als Kooperative zu betreiben, deren Einnahmen allen Einwohnern zugute kommen. Aber noch ist es nicht so weit.

Sehenswürdigkeiten
Vor einer Besichtigung muss man sich zunächst beim Militärposten am Eingang melden und den Pass vorzeigen. Dort wird von dem netten Offizier vermutlich ein Soldat bereitgestellt, der mit den Besuchern einen Spaziergang durch die Oase macht. Dieser Rundgang führt nur durch die Oase, ganz zu Beginn sammelt ein Bassin das Wasser der Quelle, die der Oase Leben spendet. In das Dorf kommt man eigentlich nur in Begleitung eines Bewohners.
Außerdem gibt es prähistorische Felsgravuren. Dazu vom Militärposten den Berg hinauf, zwischen den Schulgebäuden durch und zu dem Felshang auf der anderen Seite gehen. Die Felsgravuren sind am linken Ende des Hangs auf einer Platte.